5. Werde ich gemobbt oder bilde
ich mir das nur ein?
Man ist neu in einer Firma und erst einmal ist alles anders.
Die Kollegen sind andere und auch die Arbeit ist nicht dieselbe, da ist es ganz
logisch, dass Sie sich erst einmal etwas auskennen müssen, um zu beurteilen,
was in Ordnung ist und was nicht.
Aber auch wenn Sie schon länger mit den Kolleginnen und
Kollegen zusammenarbeiten, sobald jemand Neues dazukommt, verändert sich die
Zusammenarbeit.
Wichtig ist, dass alle für ein gemeinsames Ziel arbeiten, für
ein Produkt oder eine Dienstleistung.
Wenn ich das mit einem Beispiel erklären darf:
Es ist ganz ähnlich wie bei einer Musiker-Gruppe, eigentlich
ist es egal, welche Stilrichtung und wie viele Mitglieder, denn jeder hat ein
ganz bestimmtes Instrument zu spielen. In großen Orchestern gibt es mehrere
Geiger, bei Pop-Bands eher nicht, da ist es das Schlagzeug oder die E-Gitarre.
Es ist gut, wenn jedes Mitglied seine Noten kennt, aber wichtig ist auch, die
der anderen im Ohr zu haben, nur gemeinsam gibt es das Endprodukt, einen Song
oder eine Oper.
Leider arbeiten aber einige nicht am Produkt oder an ihrer
Aufgabe im Team, sondern möchten vor allem ihren persönlichen Erfolg
vorantreiben. Im Orchester wäre das dann z. B. der Bassist, der eigentlich
immer viel zu wenig im Blickfeld steht und der dann plötzlich an Stellen ein
Solo einspielt, an denen er überhaupt nicht an der Reihe ist. Eine Katastrophe
wäre das! Alle würden aus dem Takt kommen, der Dirigent hüpft vor Verzweiflung
auf seinem Podest und wedelt mit den Händen. Zum Glück kommt das nie wirklich
vor, das würde sich niemand zu tun wagen. Es wäre zu auffällig, zu
offensichtlich und das Ziel, mehr Erfolg zu haben, wäre auch nicht erreicht. Es
wäre lediglich mehr Aufmerksamkeit, kein Erfolg.
In vielen Firmen ist das aber ganz anders. Da fällt es nicht
so sehr auf, wenn jemand „falsch“ spielt, manchmal sieht es sogar so aus, dass
ein ganz anderer Kollege der „Falsch-Spieler“ zu sein scheint.
Der Chef war außer sich: Ein wichtiger Kunde hatte ein
Ersatzteil bestellt und es war ihm über Nacht mit dem Kurier zugestellt worden
und bei der Montage stellte sich heraus, dass es nicht auf die Stelle passte,
wo das andere, defekte, abgeschraubt worden war. So eine Nachlässigkeit! Es war
der genaue Typ angegeben, die Artikelnummer und alles stimmte und trotzdem war
eine Bohrung an einer anderen Position. In der Konstruktion wurde der
zuständige Ingenieur Heinrich gefragt, wie das sein könne und der hatte auch
gleich die Erklärung: Der neue Techniker Thomas hat daran etwas verändert und
dann wohl vergessen, dies in den Unterlagen zu vermerken und die Typbezeichnung
des veränderten Teiles zu aktualisieren. Nun ist zu prüfen, wie viele solche
veränderten Einheiten bereits mit der alten Typbezeichnung produziert wurden
und der Schaden ging in die Tausende.
Thomas wurde zu einer Besprechung gerufen und er hatte sich
vorbereitet. Die Unterlagen, die ihm Heinrich gegeben hatte für die
Veränderung, hatte er dabei. Darauf hatte er sich eine Notiz gemacht, als er
die Änderung gezeichnet hat: Laut Herrn Heinrich ist keine Typänderung
notwendig, da nur noch Maschinen für das vorliegende Teil gebaut werden.
Somit war klar: Nicht Thomas war Schuld, sondern Herr
Heinrich. Wäre diese Notiz nicht gewesen, hätte das niemand mehr gewusst. Und
das war nur eine von vielen Fallen, die Herr Heinrich Thomas gegraben hatte.
Zum Glück war er sehr aufmerksam und kontrollierte alles, was er ablieferte,
noch einige Male nach. Das hat ihm den Spitznamen „Schnecke“ eingebracht – er
wurde als extrem langsamer Arbeiter dargestellt.
Und genau so beginnt Mobbing: Jemand nimmt in Kauf oder
plant gar, dass die Arbeit fehlerhaft erledigt wird.
5.1 Klarheit über die eigenen
Gefühle bekommen
Viele Vorkommnisse sind so verwirrend, nichts ist greifbar,
trotzdem ist die Situation nicht so, wie sie sein sollte. Sie werden sicher
solche Dinge mit Freunden, Familie oder Kolleginnen besprechen und diese um Rat
fragen. „Ist das normal, oder reagiere ich nur zu sensibel?“
Wenn Sie fünf Personen fragen, werden sie auch fünf
unterschiedliche Antworten bekommen, je nach dem, wie viel die- oder derjenige
sich in Ihre Arbeitssituation hineindenken kann. Und spätestens nach einigen
Wochen werden Sie nur noch mit einem tiefen Seufzer angehört: „Sei doch nicht
so empfindlich!“ oder „Ich hab dir doch schon x-mal gesagt . . .“ – Das bringt
Sie alles nicht weiter.
Die bessere Aktion ist:
Kurze, klare Sätze in Ich-Form notieren
Ich ärgere
mich, wenn mir gesagt wird, ich sei zu langsam
Ich kann
nicht drei Arbeiten gleichzeitig erledigen
Ich mache
genau so viele oder wenige Fehler wie alle anderen
Ich lasse
mich nicht anschreien
Wenn ich
nicht gegrüßt werde, finde ich das unhöflich
Mit der Zeit kommt so eine Liste von Situationen zustande, die
in mir negative Gefühle auslösen.
Ja, ich höre Sie stöhnen: Noch mehr schreiben, für wen denn
und was soll das? Dadurch verändert sich nichts.
Doch, es verändern sich 2 Dinge:
- Sie haben
etwas zu Papier gebracht, das sie aufbewahren können, das Sie anderen zeigen können, das sie nicht vergessen
können.
- Sie können
diesen Aufschrieb auswerten: Gibt es häufig gleiche Situationen, steigert sich etwas immer weiter,
gibt es Höhepunkte, Ausnahmen, andere wichtige
Fakten.
Wir werden auf solche Dokumentationen noch öfter zurückkommen,
Sie werden einsehen, dass sich die Zeit und die Arbeit lohnen.
Bis hier her ist es völlig unwichtig,
ob das, was da geschieht, Mobbing ist.
Warum?
Weil all das, was geschieht, Ihre Arbeitskraft schädigt.
In erster Linie sind es Ihre eigenen Gedanken, die schädigen.
Ja, das klingt hart,
aber wir müssen jetzt erst einmal klar erkennen,
dass Sie verletzt
reagieren,
denn nur das ist
wirklich sicher.
Bis jetzt ist noch völlig unklar, ob das, was Sie als
schädigend empfinden, absichtlich geschieht, von jemandem so inszeniert worden
ist, eine direkte Schädigungsabsicht vorliegt oder ob ganz einfach nur ein
total unsensibler und eigenartiger Mensch unter den Kolleginnen oder
Vorgesetzen ist, der die Wirkung auf Sie überhaupt nicht im Blickfeld hat.
Die Konzentration auf sich selbst hat Vorteile:
Meine Gefühle unterliegen meinem Willen!
Ich muss nicht negative Gefühle pflegen,
wenn ich weiß,
dass meine Handlungen richtig und angemessen sind.
wenn ich weiß,
dass meine Handlungen richtig und angemessen sind.
Und nun kommen wir zum eigentlichen Problem: Der
Selbstsicherheit!
Würden Sie von sich sagen, dass Sie viel oder wenig
Selbstsicherheit haben? Ich tippe mal, dass 98 Prozent meiner Leserinnen oder
Leser eher weniger Selbstsicherheit im Beruf haben. Das hat nichts mit Können
oder Ausbildung zu tun, sondern ist unter anderem auch davon abhängig, was wir
von der Umgebung gespiegelt bekommen. Vielfach ist ein gesundes Selbstvertrauen
im privaten Bereich keine Sicherheit dafür, dass man auch im Beruf diese Selbstsicherheit
empfinden kann. Wer an üble Vorgesetzte oder missmutige Kollegen kommt,
verliert ganz schnell große Teile seiner Selbstsicherheit. Und doch ist sie
ganz wichtig für die Reaktion auf schädigende Verhaltensweisen. Leider gibt es
nur für ganz wenige Berufsfelder in der Ausbildung die Information über eigene
und fremde Motivation am Arbeitsplatz. Nicht immer sind Vorgesetzte darin
geschult, es wird oft mehr Leistung auf Gewinn-Optimierung durch Druck auf das
Personal gelegt. Dabei können freundlich Worte wahre Wunder wirken, lächeln
motiviert viel stärker als Gebrüll.
Was Sie aber lernen können ist, wie Sie sich selbst motivieren
können, wie Sie eine gewisse Sicherheit erwerben im beruflichen Alltag.
Der Anfang zur selbstsicheren Haltung im Beruf ist
wissen, was ich tue,
warum ich es mache
warum ich es nicht anders mache
von wem mein Auftrag kommt
für wen ich die Aufgabe erledige
welcher Zeitrahmen mir zur Verfügung steht
ob und wenn ja, welche Änderungen nachträglich von wem
eingebracht werden
wann wurde die Arbeit beendet, abgegeben, abgenommen
Alle diese Dinge sollte
ich mir notieren:
Auftrag Nr. 12345 vom (Datum)
zugeteilt von Herrn / Frau xyz weil in meinem Zuständigkeitsbereich
oder weil Kollegin krank / in Urlaub ist
zugeteilt von Herrn / Frau xyz weil in meinem Zuständigkeitsbereich
oder weil Kollegin krank / in Urlaub ist
abzugeben am (Datum)
am (Datum) kam Herr X. mit zusätzlicher Information,
Änderung
Abgeliefert am (Datum) an Herrn Frau Abteilung
Zu dieser Auftragsdokumentation sollten alle Besprechungen
oder Informationen und Nachfragen hinzugefügt werden, die stattgefunden haben.
Dies legen Sie stets doppelt ab: einmal im Büro und einmal
privat, damit Sie in jedem Falle und zu jeder Zeit darauf Zugriff haben.
Sie können sich mit dem Handy Ihren Aufschrieb fotografieren
und haben ihn damit sicher, er könnte zu Hause im PC abgespeichert werden. So
sind Sie, auch nach Feierabend oder bei Krankheit und Urlaub immer in der Lage,
darauf zuzugreifen.
Wozu das alles?
Im Beispiel von vorher ist das beschrieben, hier eine Kopie:
Thomas wurde zu einer
Besprechung gerufen und er hatte sich vorbereitet. Die Unterlagen, die ihm
Heinrich gegeben hatte für die Veränderung, hatte er dabei. Darauf hatte er
sich eine Notiz gemacht, als er die Änderung gezeichnet hat: Laut Herrn
Heinrich ist keine Typänderung notwendig, da nur noch Maschinen für das vorliegende
Teil gebaut werden.
Somit war klar: Nicht Thomas
war Schuld, sondern Herr Heinrich. Wäre diese Notiz nicht gewesen, hätte das
niemand mehr gewusst. Und das war nur eine von vielen Fallen, die Herr Heinrich
Thomas gegraben hatte. Zum Glück war er sehr aufmerksam und kontrollierte
alles, was er ablieferte, noch einige Male nach. Das hat ihm den Spitznamen
„Schnecke“ eingebracht – er wurde als extrem langsamer Arbeiter dargestellt.
. . . und wenn das hätte Mobbing werden sollen, ist der
Versuch kläglich gescheitert.