Sonntag, 1. Februar 2015

So sieht das im Alltag aus:


Mobbing ist so alltäglich geworden, dass fast jede berufstätige Frau davon eine Geschichte erzählen kann. Meist sind es Gruppen-Aktionen, an denen einige Personen beteiligt sind.
Das funktioniert gut, weil niemand sich traut, einzugreifen zu Gunsten des Opfers.
„Freundinnen“ wissen, sie wären die Nächste, würden sie nicht mitmachen oder sich wenigstens still verhalten.
Männer können nicht selten davon berichten, dass Mobbing ursächlich für einen Suizid war. Der Betroffene wollte seiner Familie die „Schande“ des beruflichen Scheiterns nicht antun.
Manche Ehe ist an Mobbing zerbrochen, weil die Ansichten, was zu tun wäre, grundsätzlich auseinander lagen. Wer sich nicht wehrt, ist automatisch selber schuld und wer dauernd jammert, belastet das Familienklima.

Anfangs wunderte sich Klaus über seinen Kollegen: Er redete nur das Nötigste mit ihm, gab auf Fragen immer ausweichende Antworten. Das erschwerte die Arbeit von Klaus sehr, denn er war neu im Unternehmen und kannte die Abläufe noch nicht genau. Auf private Bemerkungen bekam er überhaupt keine Antwort, egal ob es um ein Fußballspiel, den Betriebsausflug oder das Wetter ging.
Ein großes Projekt stand an, Klaus sollte es in eigener Verantwortung entwickeln und der Kollege Bernd sollte für ihn die Materialien bestellen. Es gab eine Liste, auf der alle benötigten Teile mit Größe, Material, Belastbarkeit und dem Lieferdatum aufgeführt war. Der Tag des Prototypen rückte näher, Klaus ging in die Montage-Halle und erkundigte sich beim Meister, ob die notwendigen Lieferungen eingegangen seien und erfuhr zu seinem Schrecken, dass kaum etwas angekommen war. Der Meister meinte, Bernd sei informiert darüber und er hätte ihm auch gesagt, dass der Termin für die Montage unmöglich zu halten sei.
Klaus war verärgert. Warum sagt Bernd nichts zu ihm? Sie sitzen sich in einem Büro gegenüber, sind die beiden entscheidenden Konstrukteure und da wird man nicht informiert über Lieferprobleme?

„Wo fehlt es denn? Warum liefert der Hersteller XY die bestellten Teile nicht?“ fragt Klaus nach. Bernd antwortet, dass dieser Hersteller in Insolvenz gegangen sei. „Ja und jetzt?“ fragt Klaus nach, „wo wollen Sie die Teile jetzt bestellen?“ Bernd meint, das sei nicht seine Entscheidung, das müsse er, Klaus, als Gruppenleiter selbst bestimmen. „Wie soll ich etwas entscheiden, von dem ich nichts weiß? Warum sprechen Sie nicht mit mir, wenn solche Probleme anstehen?“ fragte Klaus, aber Bernd lächelte nur schadenfroh. „Sie hätten mich ja fragen können!“ war seine Antwort.

So oder ähnlich kann Mobbing beginnen:
Ein Kollege, auf dessen Fachwissen man angewiesen ist, lässt einen hängen, sabotiert die gemeinsame Arbeit. Oder es werden Informationen nicht weiter gegeben, man wird bei Vorgesetzten oder Kollegen schlecht gemacht.
Häufig beginnt schleichend, was irgendwann einmal ein riesiges Problem werden kann. Das Verhalten der Kollegen hat sich verändert – sie reagieren gereizt, kritisieren unberechtigt, man bekommt keine Informationen mehr. Die Palette der Angriffe ist scheinbar grenzenlos.
Der Chef beobachtet Sie ständig, fragt immer wieder, wann die Arbeit endlich fertig ist, ob Sie eventuell überlastet sind, oder er brüllt einfach nur noch, anstatt mit Ihnen zu reden. Sie versuchen herauszufinden, was der Grund für diese Angriffe sein könnte und suchen ihn in Ihrem eigenen Verhalten, in Ihrer Leistung.
Ist das Mobbing? Das passiert doch nicht mir! Das ist doch alles nur Einbildung und Hysterie, das sind so Sensibelchen, die dauernd glauben, man müsse sie in Watte packen. Ich bin doch anders, mit mir kann man reden.

So war es bei mir:
Ich bin als Kind der Nachkriegszeit im Raum Stuttgart geboren, habe zwei Berufe gelernt und dann in einem ganz anderen gearbeitet – ich war Technische Dokumentatorin und Redakteurin. Als ich 45 Jahre alt war musste die Firma, für die ich arbeitete, aufgrund der Rezession schließen, und ich war arbeitslos. Nach neun Monaten Arbeitslosigkeit fand ich trotz meines „Alters“ wieder Arbeit – mein neuer Chef wollte eine Mitarbeiterin, die nicht wegen Schwangerschaft ausfällt.
Die Tatsache, dass ich die Neue war, die Älteste, branchenfremd und nicht auf den Mund gefallen, brachte mir nicht nur Sympathien ein. Mir wurde nachgesagt, ich hätte an Teilen meiner Arbeit kein Interesse, wäre frech und unhöflich, langsam, schlampig und wohl schon ziemlich verkalkt. Ich hatte noch Glück im Unglück, denn mein Chef war mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Ich hatte zwei getrennte Arbeitsbereiche und nur in dem anderen, den ich mit den Kolleginnen zusammen zu bearbeiten hatte, passierten ständig „Fehler“.
Mein Chef versuchte gemeinsam mit mir, die „Fehlerquellen“ zu finden und zu beseitigen, aber wir konnten gar nicht so viel ändern, wie sich da Neues auftat. Am Ende wurde sogar gegen den Chef gearbeitet, er wurde gegenüber anderen schlecht gemacht, als hochnäsig bezeichnet und seine Veranstaltungen wurden boykottiert. Er lachte nur darüber, getan hat er nichts und so wird auch heute noch, nach Jahren, Mobbing als Betriebssport betrieben.