Mobbing ist so alltäglich geworden, dass fast jede
berufstätige Frau davon eine Geschichte erzählen kann. Meist sind es
Gruppen-Aktionen, an denen einige Personen beteiligt sind.
Das
funktioniert gut, weil niemand sich traut, einzugreifen zu Gunsten des Opfers.
„Freundinnen“
wissen, sie wären die Nächste, würden sie nicht mitmachen oder sich wenigstens still verhalten.
Männer können nicht selten davon berichten, dass Mobbing
ursächlich für einen Suizid war. Der Betroffene wollte seiner Familie die
„Schande“ des beruflichen Scheiterns nicht antun.
Manche Ehe ist an Mobbing zerbrochen, weil die Ansichten, was
zu tun wäre, grundsätzlich auseinander lagen. Wer sich nicht wehrt, ist
automatisch selber schuld und wer dauernd jammert, belastet das Familienklima.
Anfangs wunderte sich
Klaus über seinen Kollegen: Er redete nur das Nötigste mit ihm, gab auf Fragen
immer ausweichende Antworten. Das erschwerte die Arbeit von Klaus sehr, denn er
war neu im Unternehmen und kannte die Abläufe noch nicht genau. Auf private
Bemerkungen bekam er überhaupt keine Antwort, egal ob es um ein Fußballspiel,
den Betriebsausflug oder das Wetter ging.
Ein großes Projekt
stand an, Klaus sollte es in eigener Verantwortung entwickeln und der Kollege
Bernd sollte für ihn die Materialien bestellen. Es gab eine Liste, auf der alle
benötigten Teile mit Größe, Material, Belastbarkeit und dem Lieferdatum
aufgeführt war. Der Tag des Prototypen rückte näher, Klaus ging in die
Montage-Halle und erkundigte sich beim Meister, ob die notwendigen Lieferungen
eingegangen seien und erfuhr zu seinem Schrecken, dass kaum etwas angekommen
war. Der Meister meinte, Bernd sei informiert darüber und er hätte ihm auch
gesagt, dass der Termin für die Montage unmöglich zu halten sei.
Klaus war verärgert.
Warum sagt Bernd nichts zu ihm? Sie sitzen sich in einem Büro gegenüber, sind
die beiden entscheidenden Konstrukteure und da wird man nicht informiert über
Lieferprobleme?
„Wo fehlt es denn?
Warum liefert der Hersteller XY die bestellten Teile nicht?“ fragt Klaus nach.
Bernd antwortet, dass dieser Hersteller in Insolvenz gegangen sei. „Ja und
jetzt?“ fragt Klaus nach, „wo wollen Sie die Teile jetzt bestellen?“ Bernd
meint, das sei nicht seine Entscheidung, das müsse er, Klaus, als Gruppenleiter
selbst bestimmen. „Wie soll ich etwas entscheiden, von dem ich nichts weiß?
Warum sprechen Sie nicht mit mir, wenn solche Probleme anstehen?“ fragte Klaus,
aber Bernd lächelte nur schadenfroh. „Sie hätten mich ja fragen können!“ war
seine Antwort.
So oder ähnlich kann Mobbing beginnen:
Ein Kollege, auf dessen Fachwissen man angewiesen ist, lässt
einen hängen, sabotiert die gemeinsame Arbeit. Oder es werden Informationen
nicht weiter gegeben, man wird bei Vorgesetzten oder Kollegen schlecht gemacht.
Häufig beginnt schleichend, was irgendwann einmal ein riesiges
Problem werden kann. Das Verhalten der Kollegen hat sich verändert – sie
reagieren gereizt, kritisieren unberechtigt, man bekommt keine Informationen
mehr. Die Palette der Angriffe ist scheinbar grenzenlos.
Der Chef beobachtet Sie ständig, fragt immer wieder, wann die
Arbeit endlich fertig ist, ob Sie eventuell überlastet sind, oder er brüllt einfach
nur noch, anstatt mit Ihnen zu reden. Sie versuchen herauszufinden, was der
Grund für diese Angriffe sein könnte und suchen ihn in Ihrem eigenen Verhalten,
in Ihrer Leistung.
Ist das Mobbing? Das passiert doch nicht mir! Das ist
doch alles nur Einbildung und Hysterie, das sind so Sensibelchen, die dauernd
glauben, man müsse sie in Watte packen. Ich bin doch anders, mit mir kann man
reden.
So war es bei mir:
Ich bin als Kind der
Nachkriegszeit im Raum Stuttgart geboren, habe zwei Berufe gelernt und dann in
einem ganz anderen gearbeitet – ich war Technische Dokumentatorin und
Redakteurin. Als ich 45 Jahre alt war musste die Firma, für die ich arbeitete,
aufgrund der Rezession schließen, und ich war arbeitslos. Nach neun Monaten
Arbeitslosigkeit fand ich trotz meines „Alters“ wieder Arbeit – mein neuer Chef
wollte eine Mitarbeiterin, die nicht wegen Schwangerschaft ausfällt.
Die Tatsache, dass
ich die Neue war, die Älteste, branchenfremd und nicht auf den Mund gefallen,
brachte mir nicht nur Sympathien ein. Mir wurde nachgesagt, ich hätte an Teilen
meiner Arbeit kein Interesse, wäre frech und unhöflich, langsam, schlampig und
wohl schon ziemlich verkalkt. Ich hatte noch Glück im Unglück, denn mein Chef
war mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Ich hatte zwei getrennte Arbeitsbereiche
und nur in dem anderen, den ich mit den Kolleginnen zusammen zu bearbeiten
hatte, passierten ständig „Fehler“.
Mein Chef versuchte
gemeinsam mit mir, die „Fehlerquellen“ zu finden und zu beseitigen, aber wir
konnten gar nicht so viel ändern, wie sich da Neues auftat. Am Ende wurde sogar
gegen den Chef gearbeitet, er wurde gegenüber anderen schlecht gemacht, als
hochnäsig bezeichnet und seine Veranstaltungen wurden boykottiert. Er lachte
nur darüber, getan hat er nichts und so wird auch heute noch, nach Jahren,
Mobbing als Betriebssport betrieben.
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